Hörende aller Länder vereinigt euch!
Ein experimentelles musikalisches Hörbild nach der Brecht’schen Theorie.
Von Theresa Münnich und Aaron Pfersdorf
Nach Texten von Bertold Brecht, Hans Magnus Enzensberger, Walter Benjamin, Jean Baudrillard, Kurt Tucholsky, Heiko Hiller und Theodor W. Adorno.
Sprecherinnen: Irene Schulz, Hans Hendrik Wöhler, Aileen Wrozyna, Sophie Rauch und Theresa Münnich
Musik: Aaron Pfersdorf und Selim Mundhaas nach Motiven von Paul Hindemith und Kurt Weill
Als der amerikanische Radiohurrikan in den 1920ern Bertolt Brecht erreicht, veranlasst ihn diese vorsintflutliche Erfindung über den Lebenszweck des Rundfunks nachzudenken. Er entwickelt daraufhin eine Radiotheorie, die er im Lindberghflug (1929) umzusetzen versucht. Das Radio soll von einem Kommunikations- in einen Distributionsapperat verwandelt werden. Walter Benjamin, Theodor W. Adorno und Hans Magnus Enzensberger denken später diese Theorie weiter. Benjamin erkennt die politische Dimension des Rundfunks als Propagandainstrument und versucht in Hörspielexperimenten den Rundfunkapparat für eigene politische Konzepte nutzbar zu machen. Auch Enzensberger verbindet die kollektive Struktur der avancierten Medien mit einer politischen Mobilisierung der Menschen:
„Die Entwicklung vom bloßen Distributions- zum Kommunikationsmedium ist kein technisches Problem. Die technische Differenzierung zwischen Sender und Empfänger spiegelt die gesellschaftliche Arbeitsteilung zwischen Produzenten und Konsumenten wider, die in der Bewusstseins-Industrie eine besondere politische Zuspitzung erfährt. Sie beruht letzten Endes auf dem Grundwiderspruch zwischen herrschenden und beherrschten Klassen.“
Heute ist Radio fast überall zu empfangen und in punkto Kommunikation scheinen die sozialen Medien den Rundfunk längst überholt zu haben. Die Utopie eines Radios als Kommunikationsmedium ist technisch jedenfalls umzusetzen, nur sind Erkenntnis als auch Kommunikationsprozesse effektiv scheinbar nur in gesellschaftlich organisierter Form realisierbar.
Was ist dran an der Theorie eines partizipativen und emanzipatorischen Radios? Was lässt sich an der Idee eine Kommunikationsapperates nach Brecht, Benjamin und Enzensberger heute noch umsetzen? Und wie kann eine wirkliche Kommunikation über das Radio im Sinne einer emanzipatorischen Praxis verwirklicht werden?
Diesen Fragen gehen Theresa Münnich und Aaron Pfersdorf in einer Live- Performance im Radio nach. In einer Adaption des Lindberghflugs von Bertolt Brecht, Kurt Weill und Paul Hindemith lassen sie die Theoretiker in einem fiktiven Gespräch zu Wort kommen. Diese künstlerische Auseinandersetzung gibt keine endgültige Antwort, aber ist die Einladung eine mögliche Umsetzung dieser Theorien zu untersuchen und sie gemeinsam mit den Hörerinnen weiterzuentwickeln.
Sendedatum: 18/12/2020 15:00 - 18/12/2020 18:00
Sendung: Specials